Ziele, Verortung und Ergebnisse des Projektes
Worum ging es in diesem Projekt?
Im Projekt Habitus.Macht.Bildung – Transformation durch Reflexion wurde der Einfluss sozialer Ungleichheit auf Bildungswege von Lehramtsstudierenden untersucht. Die Mitarbeiterinnen wurden dabei von der Frage geleitet, wie sich studentische Erfahrungen sozialer Ungleichheit in Bildungsinstitutionen reflexiv einholen und daraus methodische Instrumente entwickeln lassen, die Studierende und Lehrende dabei unterstützen, habitusreflexiv (an Schulen und der Universität) zu lehren. Ziel war, die Entwicklung von Habitusreflexivität bei Lehramtsstudierenden zu unterstützen. Um einen reflexiven Umgang mit sozialer Ungleichheit im Bildungswesen zu ermöglichen und damit Transformations- prozesse anzustoßen, wurden im Projekt (Unterrichts-)Materialen entwickelt, die dazu beitragen Chancenungleichheit zu reflektieren.
Warum im Lehramt?
Durch die Reflexion von eigenen Schul- und Universitätserfahrungen sollten Lehramtsstudierende erlernen, habitusspezifische Bildungserfahrungen einzuordnen und damit der Reproduktion von Chancenungleichheit in ihrer zukünftigen Tätigkeit als Lehrer:innen entgegenwirken zu können. Die Verankerung des Projektes im Lehramt erwies sich hierfür als besonders geeignet, da Lehramtsstudierende einerseits die Zielgruppe der entwickelten Materialien darstellen, diese aber gleichzeitig auch Multiplikator:innen sind, die die erlernten reflexiven Strategien in ihrem eigenen Unterricht im Rahmen der Schulpraktika und ihrer späteren Berufstätigkeit anwenden und an ihre Schüler:innen weitergeben können.
Was entstand aus dem Projekt?
Im Projekt entstanden 10 Theoriekarten und 18 Übungskarten. Diese Materialien können
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von Lehrenden genutzt werden, um im Rahmen von Lehrveranstaltungen (im Lehramtsstudium in der Erziehungswissenschaft, Soziologie, in den Gender Studies und Global Studies etc.) Prozesse sozialer Ungleichheit zu thematisieren und zu reflektieren;
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von Studierenden genutzt werden, um sich in ihrer eigenen (Bildungs-)Biographie mit Prozessen sozialer Ungleichheit auseinanderzusetzen und Habitusreflexivität zu entwickeln;
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von (angehenden) Lehrer:innen genutzt werden, um im Schulkontext durch konkrete Übungen soziale Ungleichheit zu thematisieren, eigene Wahrnehmungs- und Handlungsmuster bei der Bewertung von Schüler:innen aufzubrechen und emanzipatorische Handlungsperspektiven zu entwerfen;
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von Trainer:innen und Workshopleiter:innen genutzt werden, die andere Personen zur Auseinandersetzung mit sozialer Ungleichheit anleiten und in der Entwicklung von Habitusreflexivität unterstützen wollen.
Material (nicht barrierefrei)
Theoriekarten als PDF
Der französische Soziologe und Philosoph Pierre Bourdieu (1930–2002) hat sich in seinen Arbeiten eindringlich mit sozialer Ungleichheit, insbesondere in Bezug auf Bildung, auseinandergesetzt. In der Theoriekarte Aus Bourdieus Werkzeugkiste: Soziale Ungleichheit und Bildung (Kurztitel: Bourdieus Werkzeugkiste) werden einige seiner zentralen Begriffe und Konzepte vorgestellt.
In der Theoriekarte Bildung in der meritokratischen Gesellschaft (Kurztitel: Meritokratie) geht es um Begriffe wie Leistungsgesellschaft und Meritokratie sowie um die Funktionen von Bildung/Schule in der meritokratischen Gesellschaft.
Die Erfahrungen, die jemand an der Universität macht, haben nicht nur mit der eigenen gesellschaftlichen Position zu tun, sondern auch mit dem Feld der Universität. Diskutiert werden in der Theoriekarte Wissen und Macht an der Universität (Kurztitel: Wissen und Macht) die unternehmerische Universität, die Uni als Elfenbeinturm, "neutrales" Wissen und Wissensproduzent:innen.
In der Theoriekarte Soziale Ungleichheit, Diskriminierung und Bildungsungleichheit (Kurztitel: Soziale Ungleichheit) werden zentrale und immer wiederkehrende Begriffe rund um soziale Ungleichheit kurz umrissen, Beziehungen zwischen diesen Begriffen erläutert und Beispiele angeführt, um die Begriffe verständlicher zu machen.
Neben dem empirischen Material aus dem Forschungsprojekt Habitus.Macht.Bildung und biographischen Erzählungen in Sammelbandform (z. B. Aumair & Theißl, 2020; Altieri & Hüttner, 2020) gibt es einige Befragungen und Publikationen, die direkt Auskunft über Formen von Diskriminierung an (österreichischen) Universitäten bzw. im österreichischen Bildungswesen geben. Erkenntnisse daraus werden in der Karte Soziale Ungleichheit im Studium — Studienergebnisse (Kurztitel: Studienergebnisse) präsentiert.
Welchen Raum brauchen Lernprozesse, in denen die eigene Herkunft und die damit einhergehenden Vorteile bzw. Nachteile diskutiert, Erfahrungen von Diskriminierung geteilt, die eigenen Vorurteile und Bias hinterfragt werden? Darum geht es in der Theoriekarte Den Lernraum gestalten — pädagogische Positionierung (Kurztitel: Lernraum gestalten).
In der Theoriekarte Scham, (Selbst-)Zweifel, Bluff, Anpassung: Gefühle und Strategien von Studierenden (Kurztitel: Gefühle und Strategien) wird der Zusammenhang zwischen studentischen Gefühlen/Strategien und sozialer Ungleichheit/Diskriminierung dargestellt.
Wenn die Strukturen eines Feldes, z. B. der Uni, und der eigene Habitus voneinander abweichen, in einem Widerspruch oder Konflikt stehen, spricht Lars Schmitt vom Habitus-Struktur-Konflikt. Mehr dazu in der Theoriekarte Der Habitus-Struktur-Konflikt.
Über die Auseinandersetzung mit dem eigenen und anderen Habitus zielt Habitusreflexivität darauf ab, zu verstehen, welche Strukturen, Machtverhältnisse und Mechanismen Bildungsinstitutionen wie Schulen oder Universitäten charakterisieren. Habitusreflexivität, erklärt in gleichnamigen Theoriekarte Habitusreflexivität, kann einen sensiblen, fairen und diskriminierungskritischen Umgang miteinander unterstützen.
In der Theoriekarte Habitus und Professionalisierung geht es um Professionalisierung durch die reflexive Auseinandersetzung mit dem eigenen Habitus und jenen der Schüler:innen bzw. Studierenden. Die damit einhergehende Verunsicherung kann als Ausgangspunkt für Lernprozesse und Prozesse kritischer Professionalisierung gelten.
Übungskarten als PDF
Das Lied „2l Eistee“ des österreichischen Liedermachers Voodoo Jürgens bietet einen niederschwelligen und kunstbezogenen Einstieg in das Thema Klassismus sowie in die Begriffe Habitus, kulturelles Kapital und symbolische Gewalt. Auch zur Auflockerung (in einer LV-Einheit) kann das Lied dienen. Wie, das wird in der Übungskarte 2 Liter Eistee — Klassismus mittels eines Lieds reflektieren (Kurztitel: 2 Liter Eistee) erläutert.
In den letzten Jahren erschienen zahlreiche auto- bzw. sozioanalytische und literarische Erzählungen zum Thema soziale Herkunft, darunter der Sammelband von Betina Aumair und Brigitte Theißl (2020) mit Klassenporträts von „Klassenreisenden“. Erzählungen über die Erfahrung sozialer Ungleichheit und Klassismus wie in der Übungskarte Klassenreise beschrieben bieten sich an für das Begreifen von Klassismus, weil sie Selbstreflexion anhand der Erfahrung anderer ermöglichen.
Was bedeutet eigentlich Klassismus? Die Übung Begriffsarbeit Klassismus soll eine erste begriffliche Annäherung an Klassismus ermöglichen, ohne längere Textlektüre vorauszusetzen.
Die Placemat-Methode eignet sich zur kooperativen Erarbeitung verschiedener Fragen, insbesondere als Einstieg oder Ausstieg in ein Thema. Dabei werden Vorwissen, Erfahrungen und Ideen aller Teilnehmer:innen abgerufen und fließen in das gemeinsame Ergebnis ein. In der Übungskarte Placemat Diskriminierung (Kurztitel: Placemat) wird die Methode zur Auseinandersetzung mit dem Begriff Diskriminierung vorgeschlagen.
Die Auseinandersetzung mit sozialer Ungleichheit, Stereotypen und Vorurteilen läuft Gefahr, diese und die damit einhergehenden Zuschreibungen und Bewertungen festzuschreiben, anstatt sie aufzulösen. Mithilfe des Ted-Talks „The danger of a single story” (2009) der Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie kann über den Zusammenhang von Geschichte(n), Wissen, Kategorisierungen und Macht reflektiert und diskutiert werden. Mehr dazu in der Übungskarte The danger of a single story.
Die Übung Über Kapital und Bildung reflektieren — Kapitalübung (Kurztitel: Kapitalübung) ermöglicht eine intensivere Auseinandersetzung mit der eigenen Kapitalausstattung. Der Übung geht eine Textlektüre (Bourdieu, 2009 oder die Theoriekarte Bourdieus Werkzeugkiste) und eine kurze gemeinsame Besprechung der Kapitalsorten voraus.
Die Übung Zwischen Flow und Frust — Leseerfahrungen reflektieren (Kurztitel: Leseerfahrungen) dient der Reflexion eigener Leseerfahrungen und der Vergegenwärtigung der Brüche und Kontinuitäten in Bezug auf den eigenen Zugang zum Lesen.
In die Übung Reflexion der Bildungsbiografie (Kurztitel: Bildungsbiografie) geht es um eine persönliche und theoretische Auseinandersetzung mit der eigenen Bildungsbiografie, ihrer gesellschaftlichen Einbettung und mit dem Bildungsbegriff allgemein.
Mittels der Schreibübung Reflexives Schreiben — der Ungleichheit schreibdenkend auf der Spur (Kurztitel: Reflexives Schreiben) sollen Personen angeregt werden, über bestimmte Aspekte sozialer Ungleichheit nachzudenken und ihre Gedanken zu verschriftlichen. Ziel ist es, in diesem Schreibprozess „etwas herauszufinden, das man vor dem Schreiben noch nicht wusste“ (Vedral & Karel, 2019, S. 191).
Welche (privilegierten) Menschen sind in der Wissenschaft tätig? Welche (benachteiligten) Menschen und damit auch welche Perspektiven fehlen? Was gilt als legitimes Wissen im wissenschaftlichen Feld? Welche Fragen werden in weiterer Folge (nicht) gestellt und beforscht? Die Übung Ich und die Wissenschaft mit der Beilage zu Ich und die Wissenschaft (Word) bietet die Möglichkeit zur (Selbst-)Reflexion und anschließenden Diskussion zu diesen Fragen.
Im Rahmen des Differenzbingos werden die Teilnehmer:innen dazu angeregt, über (Bildungs-)Privilegierung und Ungleichheit nachzudenken und damit zu erkennen, welche Differenzierungen wie mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen verbunden sind.
Ausgehend von Impulsen ermöglicht die Übung Schreibgespräch zum Lernraum (Kurztitel: Schreibgespräch) eine kollektive Auseinandersetzung mit dem Lernraum. Teilnehmenden werden in Kleingruppen zu einem Schreibgespräch eingeladen, bei dem sie in einem ersten Schritt ausschließlich schriftlich miteinander kommunizier dürfen.
Bei der Übung Soziale Ungleichheit anhand biografischer Erzählungen reflektieren — Interview (Kurztitel: Interview) geht es um die Reflexion sozialer Ungleichheit mithilfe der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung eines qualitativen Interviews. Im Rahmen dieser Übung lernen die Teilnehmenden, soziale Ungleichheit aus einer Forschungsperspektive (Stichwort: forschendes Lernen) zu reflektieren.
Eine Gruppendiskussion erlaubt es, die Erzählungen Einzelner zu ergänzen, Erinnerungen auszutauschen und kollektive Erfahrungen hervorzubringen. Gemeinsame Erfahrungen zu Ungleichheit rücken dabei in den Fokus, um die dahinterliegenden Strukturen zu ergründen, auf denen die Einstellungen und Handlungen der Teilnehmer:innen basieren. Details in der Übungskarte Soziale Ungleichheit anhand kollektiver Orientierungen reflektieren — Gruppendiskussion (Kurztitel: Gruppendiskussion).
Photovoice, erklärt in der Übungskarte Soziale Ungleichheit mittels Bilder reflektieren — Photovoice (Kurztitel: Photovoice), unterstützt die Reflexion sozialer Ungleichheit anhand von Fotos, die Teilnehmende selbst erstellen. Bei der Photovoice-Methode handelt es sich um eine Methode, die die Dokumentation visueller Erfahrungen mit dem Prozess des Erzählens verbindet.
Mithilfe von Original-Zitaten von bell hooks können (Selbst-)Reflexionen und Diskussionen zu Klasse, Klassismus, Bildung, Theorie, Transformation, Befreiung, Lehren/Lernen u.v.m. angeregt werden. Mehr dazu in der Zitatübung zu bell hooks (Kurztitel: Zitate zu bell hooks).
Mit der Übung Create a Comic sollen Studierende angeregt werden, ihre Gedanken, Beobachtungen, Erlebnisse, Erfahrungen oder ihr Wissen in die Form eines Comics zu bringen. Das Verständnis von Comic ist dabei sehr breit gefasst.
Über Online-Meme-Generators können Teilnehmende dazu angeregt werden, auf spielerische Weise Konzepte und Begriffe zu wiederholen oder deren Verständnis zu überprüfen bzw. zu festigen. Entweder die Personen erstellen selbst Memes oder ihnen werden Memes vorzulegt, um sie diskutieren zu lassen, worin der Bezug zu Konzepten oder Begriffen wie Habitus, Kapitalsorten, soziale Ungleichheit, Leistungsideologie, Diskriminierung etc. besteht. Details in der Übungskarte Meme-Generator.